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Livestream in Zeiten von Corona

Da die SINFONIA-Konzerte im Dezember nicht vor Publikum stattfinden konnten, wurde das Konzert per Livestream aus Pontresina gesendet. Gut 1'000 Video-Anmeldungen gab es während der Live-Übertragung - wir sind sehr dankbar für das grosse Interesse und die Begeisterung am Konzert.

Das Konzertvideo können Sie weiterhin HIER geniessen.

 

Im Programmheft erfahren Sie Wissenswertes zu den Musikerinnen und Musikern und zu den gespielten Werken.

Wir danken den Gemeinden Pontresina, Zuoz, Sils und Celerina, La Punt Chamues-ch, St. Moritz, S-chanf und Silvaplana, der Kulturförderung des Kantons Graubünden, der Kulturförderung der Region Maloja sowie allen Sponsoren, Gönnern und Freunden für ihre grade in diesem Jahr besonders wichtige Unterstützung.

Wir wünschen Ihnen gute Gesundheit und freuen uns sehr auf das Wiedersehen an unseren Konzerten vom 28. - 30. Dezember 2021.

SINFONIA ENGIADINA

Elisabeth Melcher, Gesamtleitung

Daniel Badilatti, Präsident Verein Sinfonia Engiadina

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Ensemble SINFONIA

Klaidi Sahatçi, Violine

Cornelia Messerli-Ott, Violine

Dominik Fischer, Viola

Pi-Chin Chien, Violoncello

Seung-Yeun Huh, Klavier

KONZERTPROGRAMM​

Joseph Haydn

Streichquartett C-Dur op. 76,3; Hob. III: 77 - "Kaiserquartett"

Antonín Dvořák

Klavierquintett Nr. 2 A-Dur op. 81

Livestream aus Pontresina

29. Dezember 2020, 20:30 Uhr

DIE WERKE

Joseph Haydn: Streichquartett C-Dur op. 76,3 "Kaiserquartett"

Antonín Dvořák: Klavierquintett Nr. 2 A-Dur op. 81

 

"MAN HÖRT VIER VERNÜNFTIGE LEUTE SICH UNTERHALTEN"

Es ist keineswegs Zufall, dass der Start der Epoche der Klassik mit einem Streichquartett von Joseph Haydn, genauer seinem Opus 33, angesetzt wird: Ab hier werden die vier Stimmen gleichwertig behandelt, ab diesem Zeitpunkt herrscht ausgewogene Gleichberechtigung; selbst das Cello und die Viola übernehmen nun ab und an die Hauptrolle bei den Haupt- und Seitenthemen. Kein Wunder also, dass Wolfgang von Goethe das Streichquartett à la Haydn mit der berühmten Gesprächsmetapher umschrieb: "Man hört vier vernünftige Leute sich unterhalten". Manch einer bezeichnete Haydn denn auch als "Vater des Streichquartetts". Und tatsächlich war "Papa Haydn" nicht nur für Mozart und Beethoven das Vorbild schlechthin für ihre eigenen Streichquartette - die Gattung blieb fortan bis zu den zeitgenössischen Komponisten die eigentliche Königsdisziplin der Kammermusik.

Das "Kaiserquartett" gehört zur letzten Streichquartett-Serie von Joseph Haydn und ist 1797 entstanden. Seine klassische Anlage von sechs in einem Opus vereinten Quartetten ist überaus typisch für den strategischen Geschäftsmann Haydn: In dieser Konzeption liessen sich Quartettzyklen besonders gut vermarkten. Auftraggeber für diese Serie war jedoch Graf Erdödy - selbst ein guter Geschäftsmann -, der sich klug schon vorab zwei Jahre Exklusivnutzungsrechte an den Quartetten gesichert hatte: "Vor einigen Tagen war ich wieder bei Haydn. Bei dieser Gelegenheit spielte er mir auf dem Clavier vor, Violinquartette, die ein Graf Erdödi für 100 Dukaten bei ihm bestellt hat und die erst nach einer gewissen Anzahl von Jahren gedruckt werden dürfen", so überliefert es ein Bericht des Schweden Silverstope. Die Nummer 3 aus den Erdödy-Quartetten verdankt ihren Beinamen "Kaiserquartett" dem berühmten 2. Satz (Poco adagio), einem fast religiös anmutenden Variationensatz über die kurz vorher von Haydn komponierte "Kaiserhymne". Dieses Selbstzitat ist in einem politischen Zusammenhang zu verstehen: Die erneute Niederlage Österreichs gegen Frankreich während den Revolutionskriegen 1795 - 1798 trafen nicht nur Haydn schwer. Das Trauma verarbeitete der 65-Jährige unter anderem in seinem Opus 76, dessen Mollsätze durchwegs dunkler, dramatischer und schroffer sind, als es sonst bei Haydn so oft der Fall ist. Der 1. Satz, ein Allegro, verspricht noch ungetrübte Lebenslust - ein typischer Haydn, so mag man denken. Mit dem Einsatz der "Kaiserhymne" schlägt das Werk nun aber einen tiefgründigeren Weg ein: Die Hymne wird etwa zunehmend chromatisch umspielt. Es folgt ein sangliches Menuett, bevor die wilden Triolen des Finales dem Zuhörer die Nöte der Kriegsjahre zu vermitteln scheinen - und das in düsterstem c-Moll, das sich nie vollends aufhellt. Das typische Haydn'sche Kehraus-Finale lässt hier nun einmal auf sich warten. Da erscheint der Rückblick auf den 2. Satz beinahe wie ein Stossgebet: "Gott erhalte Franz, den Kaiser!"

Der Goethe'schen Unterhaltung zwischen "vier vernünftigen Leuten" fügte Antonín Dvořák in seinem Klavierquintett A-Dur op. 81 mit dem Klavier eine fünfte, besonders mächtige Stimme zur Seite. Genauso wie Haydns "Kaiserquartett" ist auch dieses Werk zu einem wahren Klassiker der Kammermusik geworden, und auch hier ist dies vor allen Dingen dem 2. Satz, einer Dumka, zu verdanken - vielleicht einer der schönsten Sätze der gesamten Kammermusik. Opus 81 war übrigens nicht Dvořáks erstes Klavierquintett: Bereits 1862 hatte er ein 1. Klavierquintett - ebenfalls in A-Dur komponiert. Heute wissen wir, dass dies keineswegs Zufall war: 25 Jahre nach der Entstehung des 1. Klavierquintetts op. 5 bat der Verleger Simrock den Komponisten darum, das Stück für einen Neudruck zu revidieren. Dvořák konnte das Werk unter seinen Noten aber nirgendwo mehr finden, sodass er sich kurzum dazu entschloss, ein neues Quintett in derselben Tonart zu schreiben - so die Anekdote. Das 2. Klavierquintett bezieht sich in vielerlei Hinsicht auf die verschiedenen (romantischen) Vorgänger der Gattung. So denkt man beim Hören des Kopfsatzes etwa an Dvořáks grossen Förderer Brahms und dessen Klavierquartett (ebenfalls in A-Dur!): Einerseits dank des dichten Mittelstimmen-Satzes, andererseits dank eines ganz konkreten Brahms-Zitats. Aber auch Schubert ist mit anwesend: Die verschlungenen harmonischen Wege erinnern stark an sein berühmtes "Forellenquintett". Die beiden Mittelsätze sind - wie so oft bei Dvořák - als Tanzsätze angelegt: So ist der 2. Satz als Dumka betitelt, ein ukrainischer Volkstanz, der vor allem durch seine Wechsel zwischen wehmütig-langsamen Teilen und schnellen Tanzpartien charakterisiert wird. Im langsamen Teil begegnen wir nun einem weiteren Vertreter der Romantik: So mancher denkt hier wohl an den melancholischen Schumann. Gut möglich, dass gerade die einzigartige Schönheit dieses Teiles das 1. Klavierquintett von Dvořák mehr und mehr aus dem Bewusstsein verdrängte. Es folgt im 3. Satz ein schneller Furiant, ein tschechischer Volkstanz im Dreiertakt, den Dvořák etwa auch in seinem Streichsextett an die Stelle des Scherzos setzte - unterbrochen von einem äusserst lyrischen Trio (klingt das nicht nach Grieg?). Und selbst das Finale bleibt dem Tanzcharakter treu: Eine Polka, die aber in der Mitte mit einem kunstvollen Fugen-Teil überrascht und dadurch auch die Vorbilder weit vor der Romantik mit aufruft.

 

(Teresa Cäcilia Ramming)

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